Als wir das letzte Mal gesprochen haben, kamst du gerade vom Kurama Mountain.
Ja, dort hats ein schönes Onsen.
Was ist das, ein Onsen?
Hotsprings from the ground. Heisse Quellen. Das Onsen auf dem Mount Kuarama ist sehr magisch. Auf dem Gipfel des Berges steht ein Tempel. Wenn man danach wieder absteigt und das kleine Onsen besucht und in dem Heisswasserbecken liegt, kann man durch die schneebedeckten Baumkronen in den Nachthimmel schauen. Die japanische Heilkunst Reiki ist übrigens auch auf dem Kurama Mountain “erfunden” worden.
Zwei Worte zu Sake …
In der japanischen Küche wird Sake als Aperitif und Digestif, aber auch während der Mahlzeiten gereicht. Damit fängt es schon mal an. Genau nach meinem Gusto. Der Kenner trinkt den Sake kalt, aber ich mag ihn auch warm sehr gerne. Er sorgt für ein wohliges Gefühl und vermittelt Geborgenheit. In Japan wird Sake eher als Medizin, denn als Saufe gesehen.
Hast du ein paar Fotos für mich?
Ja.
Und jetzt Indien. Was hast du da gemacht?
Meine Persönlichkeit renoviert. Ich dachte, Das kann man alle 40 Jahre mal tun.
Du machst oft Witze über Spiritualität. Der Unerleuchtete und so weiter. Wie spirituell bist du?
Dass ich der Unerleuchtete bin ist ja nun wirklich das vielleicht Ernsthafteste und Tiefgründigste, was ich je gesagt habe.
Bist du getauft? Römisch-katholisch oder protestantisch? Noch in der Kirche?
Evangelisch, ausgetreten.
Kommen wir zu deinem neuen Album . Ich hatte gleich den Verdacht, dass „Amygdala“ ein Konzeptalbum ist. Dann stand das auch im Pressetext. Aber was für ein Konzept?
Konzept war, überlegenes Material zu komponieren und es souverän aneinander zu weben. Zum Glück ist mir das gelungen. Ich bin wirklich froh, dass die Platte ein Meisterwerk geworden ist. Man weiß sowas ja nie so wirklich, bevor nicht alles fertig ist.
Wie hast du die Tracks angeordnet? Das ist bei einem Konzeptalbum ja ziemlich wichtig. Was für Kriterien gab es da?
Wenn ich ganz ehrlich bin, ist diese Reihenfolge jetzt die vielleicht einzige, in der all diese Lieder nacheinander überhaupt Sinn machen, sich die Stimmungen also nicht gegenseitig auslöschen. Natürlich ist mir ein guter Anfang und ein gutes Ende immer sehr wichtig. Wie kann ich einen Sog am Anfang entwickeln, der einen ins Album reinzieht, an die Hand nimmt und dann irgendwo anders hinführt. Wie bei einem guten Buch oder Film halt. Eigentlich wie bei allem. Meine Platte ist das Leben in klein. Amen.
Wenn du einen Track im Nachhinein anhörst, läuft das Überlegen dann auf sprachlicher Ebene ab? „Oh, der Bass klingt mir nicht organisch genug?“
Das ist ein Gefühl. Elektronische Musik zu komponieren bedeutet ja nichts anderes, als Tausende von Mikroentscheidungen zu treffen. Es sei denn, man recorded nur Jamsessions, aber selbst dann wird man alles noch auf den Punkt schneiden und arrangieren wollen. Im besten Fall werden die Wege zum Ziel immer wieder neu erfunden. Das Einzige, was ich im Laufe der Jahre als Produzent gelernt habe, ist ehrlich mit mir selbst zu sein. Bin ich wirklich stolz auf die Musik? Warum nicht? Was fehlt oder ist too much? Wenn eine Songidee für mich nicht brennt, dann muss ich weiterschrauben, bis es brennt – oder einsehen, dass das Ganze nicht substanziell genug ist. Da wird dann alles nur noch schlechter, je mehr man versucht. Das ist besonders frustrierend.
Nun kommt ja alles auf den Zustand an, in dem man sich etwas anhört. An einem Tag geht es einem so, an einem anderen so. Oder ist das so, dass ‚gute‘ Tracks immer gut sind, egal wann du sie dir anhörst?
In erster Linie haben mich ja alle Sachen irgendwann mal in Schwingung versetzt, mit denen ich mich länger beschäftigt habe. Ich klopfe das dann in verschiedenen Aggregat-Zuständen ab. Also mal tagsüber hören, mal beim Joggen, nachts, mal nachts beim Joggen, auf Reisen, an anderen Orten. In anderen sozialen Kontexten. Anderen Menschen etwas vorspielen, wenn man sich traut. Es ist immer wichtig für mich, die Musik nicht nur im Studio zu hören, sondern sie woanders mit hinzunehmen.
Im Studio herrschen andere Gesetze?
Ja, im Studio schwebt der Geist der Blöckchenschieberei und etwaigen Korrektur über allem.
Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen einer Koze-CD und einer Koze-Platte? Wird die anders gemastert?
Wird sie tatsächlich, ja. Wir erstellen für eine Platte extra ein Vinylmaster mit einem kleinen Hochtonvorsprung, der dann wieder vom Vinylschnitt verschluckt werden kann. Auch auf die Phasenbreite der Musik muss man beim Pressen einer Platte achten. Über so etwas kann ich übrigens stundenlang mit meiner Freundin sprechen. Sie findet das herrlich entspannend …
Viele Produzenten erfahren die vielen, vielen Möglichkeiten der digitalen Technologie als Überforderung. Alles kann man löschen, so oder so klingen lassen. Auch was die Zahl der Spuren angeht, gibt es ja kaum noch Begrenzungen. Wie gehst du damit um?
Wenn die CPU-Anzeige rot aufleuchtet und der Rechner nur noch stotternd abspielen kann, hat man sich eventuell irgendwo vergaloppiert.
Und dass manche Leute sagen: Vier Spuren waren super, weil man sich da ein für alle Mal entscheiden musste – kannst du das nachvollziehen?
Ich bin kein technologischer Romantiker.
Wie siehst du diese Kompressions-Sache? Alan Wilder von Depeche Mode spricht ja ziemlich dramatisch von einem ‚loudness war’.
Ich bin auch kein Freund von Kompression als Lautstärkemaximierer. Ich bin bekennender Dynamiker. Es gibt doch Lautstärkeknöpfe an der Stereoanlage.
Lass uns zum Abschluss ein wenig an deiner musikalischen Sozialisierung teilhaben.
Als ich dreizehn wurde, hat mir meine Mutter die Gitarre meines Bruders gegeben. Ich hatte sofort großes Interesse und habe mir dann selbst das Gitarrenspielen beigebracht. Meine Freundin hat damals Folk-Gitarre gelernt, Begleitung zum Singen, Sachen von Woody Guthrie, Bob Dylan, die ganzen alten amerikanischen Folksongs. Wir haben in der Zeit viel vor dem Plattenspieler gesessen und Stücke rausgehört: Folksongs, Mod-Songs. „Making Time“ war zum Beispiel sehr wichtig für mich.
Und dann kam doch die Klassik?
Ja, irgendwann habe ich tatsächlich kleine klassische Stücke wie die Bourrée oder irgendwas aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach gelernt. Erst mit 16 habe ich dann Public Enemy für mich entdeckt und angefangen, an meinen beiden Technics 1210ern zu üben, um so ein guter DJ zu werden wie DJ Aladdin.
Erobique hat mal gesagt: „Musik ist nicht alles. Aber vieles.“ Was ist Musik nicht?
Musik ist keine Schande
Und was ist deine Musik nicht?
Meine Musik ist keine Lösung.