Zunächst einmal ist Pop ja das „Allerbekannteste“ (Husserl). Sobald wir aber den Versuch machen, uns über den Popbegriff Rechenschaft zu geben, verwickeln wir uns in Schwierigkeiten, Widersprüche.
Eine andere Möglichkeit, sich Pop zu nähern, wäre: versuchsweise von allen Annahmen, Festsetzungen, Vor-Urteilen, Überzeugungen, von unserem gesamten Weltwissen in Bezug auf Pop abzusehen. Also einen Umweg zu wählen, der paradoxerweise darin besteht, sich direkt auf ihn zuzubewegen, indem wir nur darauf achten, wie uns Pop erscheint – und nicht so sehr auf das, was er ‘ist’. Wir fragen dann nicht mehr danach, was schon alles über Pop gesagt wurde, die Frage lautet stattdessen: Wie phänomenalisiert sich Pop? Wie erscheint uns etwas als Pop? Wir suchen ihn nicht mehr hinter den Phänomenen, wir suchen ihn in den Phänomenen. Dazu müssen wir abstrahieren – von jeder Deutung absehen – und die Pop-Erscheinung auf die gegebenen Primaritäten reduzieren. Wie ist uns Pop gegeben, wie erscheint er uns? Wie ‚poppt’ Pop?
So wie die Distel distelt:
„Vor mir steht eine Distel. Meine motorischen Nerven empfinden eine zerrissene, sprunghafte Bewegung. Meine Sinne, Tast- und Gesichtssinn, erfassen die scharfe Spitzigkeit ihrer Formbewegung, und mein Geist schaut auf ihr Wesen. Ich erlebe eine Distel.“ (Johannes Itten)
Nicht ein bestimmtes Erlebnis wie Madonnas denkwürdiges Konzert in München vom 18.8.2009 steht dann im Mittelpunkt der Überlegungen, sondern das Erlebnis selbst, in dem sich die Pop-Anschauung vollzieht, jener Moment, der die Auffassung von Pop als solche fundiert. Die empfundene Stimme von Bono Vox ist ein phänomenologisches Datum – ein Datum, das von einer gewissen Auffassungsfunktion ‘beseelt’ ist und das deshalb eine Qualität darstellt. Hier die Empfindung – man fühlt ihn -, dort die Wahrnehmung: man hört ihn. Die empfundene Vox von Bono heißt nur äquivok: vox.
Pop erfassen – evident erfassen – heißt demnach noch nicht: Pop im empirischen Sinne erfassen. Was aber soll das heißen: evident erfassen? Machen wir uns das an einem Beispiel klar: am Double Elvis von Andy Warhol. Wenn wir die Augen schließen und öffnen, sehen wir den doppelten Elvis zweimal, denselben doppelten Elvis doppelt: vor und nach dem Schließen der Augen, durch einen Schnitt getrennt, wie im Film. Zeitlich sind die beiden Doppel-Elvisse also separiert. Aber am Gegenstand selbst ist keine Trennung. Die zwei Elvisse sind nicht plötzlich zu viert.