Die Philosophie verhält sich zur Wissenschaft wie die Kunst zur Architektur.
Wie meinst du das?
Ein zentraler Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft liegt zum Beispiel darin, dass die Philosophie die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis prioritär setzt. Sie ist für die Resultate empirischer Forschung weitgehend blockiert. Was auch immer der Empiriker an neuen, den Thesen widersprechenden Daten dem Philosophen zumuten mag, es interessiert ihn nur am Rande. Anders die Wissenschaft, die sich nicht abschottet gegen empirische Forschungsergebnisse. Im Gegenteil: sich von ihnen irritieren lässt. Genau wie die Architektur! Und genau wie die Wissenschaft setzt die Kunst setzt die Frage nach den Bedingungen von Schönheit prioritär. Für sie zählt nichts anderes. Während Architektur sich durch Fragen der Nutzung, durch Fragen der Zwecke betreffen lässt. Sie ist per se empiriefähig. Entweder ein Gebäude hält oder es hält nicht. Kunst ist nicht irritabel durch Fragen der Nutzung, Architektur schon. „Wollte sie“, sagt Adorno, „aus Überdruß an den Zweckformen und ihrer totalen Angepaßtheit, der ungezügelten Phantasie sich anheimgeben, sie geriete sogleich in Kitsch.“
Ich glaube, Adornos Einwand zielt auf etwas anderes – auf den utopischen Charakter der Kunst, die aber nicht utopisch sein darf, weil sie die Utopie dann an ‚Schein und Trost’ verrät.
Das ändert aber nichts daran, dass die Prüfoption für ein Gebäude nicht allein seine Schönheit ist. Sondern in erster Linie die Tragfähigkeit der architektonischen Formen. Diese Formen sind offen für empirische Einwände, ganz ähnlich wie das Heck eines Audi TT. Wenn ein Haus einstürzt, ist das ein Einwand. Wenn sich die Einwände häufen, müssen diese Formen verworfen werden. Sie taugen nicht für die Architektur. Sie mögen kunsttauglich sein, weil sie schön sind, aber Schönheit ist architekturintern kein entscheidendes Kriterium. Viele Gebäude formulierten damals ihre Einwände selbst.
Das Wort kommt nicht umsonst von Wand.
Richtig. Die Kunst muss ihre Objekte nicht empirisch kontrollieren. Ein Gemälde kann nicht einstürzen.
Vor allem muss in einem Gemälde niemand wohnen.
Die Architektur muss sich, als Kunst des Bauens – als Kunst zwar, aber eben als eine, die sich Fragen der Schwerkraft und der Nutzung zu stellen hat – empirisch disziplinieren lassen. Sie muss sich messen lassen an eben diesen empirischen Referenzen.
Aber was unterscheidet sie dann noch vom Design?
Nichts?