© George Spencer-Brown

Dear Markus,

Here is a short formal statement as you requested.

Statement of Louis H. Kauffman on the Occasion of the 90th Birthday of G. Spencer-Brown

I will comment on Laws of Form. This elegant and beautiful book by George Spencer-Brown goes to the roots of mathematics, and demonstrates with great clarity that mathematics is the study of what a distinction would be if there could be a distinction. The book begins with the sentence “We take as given the idea of distinction and the idea of indication, and that one annot make an indication without drawing a distinction. We take therefore, the form of distinction for the form.” From there the book proceeds to a calculus of distinctions that is generated by a single mark that is itself seen to be a form of distinction. This calculus, generated by the one mark of distinction, is seen to underly Boolean algebra and is properly the correct arithmetic for Boolean algebra. Mathematics proceeds smoothly from there, and the calculus can be used to clarify issues in all fields of thought. Spencer-Brown’s contribution to mathematics cannot be underestimated. It is profound and it is simple. It can be understood by a child, and yet an adult can spend his or her whole life contemplating the meaning and consequences of this point of view and the remarkable simplicity of the calculus that it engenders.

Yours truly,
Louis H. Kauffman


Lieber Herr Heidingsfelder,

ich habe GSB für knapp ein halbes Jahr in Heidelberg bewirtet (1994) und die Erfahrung gemacht, dass originelle Menschen meist nicht nur in einem Bereich kreativ und eigensinnig sind. Man bekommt sie bzw. all ihre Eigenheiten nur im Paket, was heißt, dass sie für ihre Menschen oft nur schwer erträglich sind. Für ein friedliches menschliche Zusammenleben ist es wahrscheinlich notwendig, dass die Zahl der Menschen, die so kreativ und originell sind wie George – und so egozentrisch und asozial in ihrem Verhalten – begrenzt ist…

Ich war, glaube ich, der erste, der sich explizit und ausführlich in einer Publikation mit GSB beschäftigt hat. Es war meine Habilarbeit an der Uni Heidelberg (“Unterschiede, die Unterschiede machen”, Suhrkamp, 5. Aufl. 2012), in der ich 1986 den Kalkül in Teilen dargestellt habe, um ihn bzw. GSB’s Kreuze zu nutzen, um die Logik schizophrenen Denkens zu analysieren. Eingeladen haben wir, d.h. meine Heildeberger familientherapeutischen Kollegen, ihn, nachdem ich ihn in einer zugemüllten Souterrainwohnung in London ausfindig gemacht hatte. Wir zahlten ihm ein Stipendium von 5000,- DM im Monat, weil wir uns von ihm Anregungen im Blick auf die Nutzung der LoF für die Analyse psychotischer Wirklichkeitskonstruktionen erhofften. Allerdings wurden wir recht schnell in unserer Erwartung enttäuscht, da George sich nicht mehr für die LoF interessierte, und wir das, was ihn interessierte, entweder nicht verstanden (wenn es sich um mathematische Fragestellungen handelte) oder für zu abseitig hielten (z.B. sein früheres Leben als Frau eines Rechtsanwalts in San Francisco um die Jahrhundertwende).

Er wäre beinahe gar nicht in Heidelberg geblieben, sondern am ersten Abend wieder abgefahren. Der Hintergrund: Ich hatte ihn in London in eine – von ihm ausgesuchtes – sehr teures Restaurant zum Essen eingeladen. Er bestellte vor dem Essen eine Bloody Mary. Als ich ihn dann am ersten Abend in Heidelberg zu mir nach Hause eingeladen hatte und ihn fragte, was er denn trinken wolle, antwortete er: “Das weisst Du doch…” – und ich muss gestehen, dass ich vorher dran gedacht hatte, Tomatensaft und Wodka zu kaufen. Aber ich hatte es zeitlich nicht geschafft – schließlich musste ich ihn ja vom Frankfurter Flughafen abholen und hatte noch einige Nebentätigkeiten. Als ich ihm sagte, ich könne ihm das von ihm gewünschte Getränk nicht anbieten, sagte er, dann fahre er jetzt sofort wieder nach Hause. Gegen den sehr entschiedenen Widerstand meiner Frau führ ich zur nächsten Tankstelle, wo ich “glücklicherweise” Tomatensaft wie Wodka erhielt, so dass der Abend und sein Aufenthalt in Heidelberg gerettet waren. Meine Frau setzte sich aber im Laufe des Abends durch und verhinderte, dass er den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung bewies, er könne die Wände hinauf laufen… (sie waren relativ frisch gestrichen).

Beste Grüsse,
FBSimon

Lieber Herr Heidingsfelder,

hier wären zwei, drei Sätze, die ich mir vorstellen kann:

<<Niklas Luhmann hat George Spencer-Brown für die soziologische Theorie entdeckt. Mit Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge ist die unmarkierte Außenseite jeder konkreten Unterscheidung die einzige Vorstellung, die wir von einem Ganzen haben können. Spencer-Brown hat unseren Blick dafür befreit, dass diese Einsicht die Welt nicht verarmt, sondern bereichert.>>

Ok?

Herzlich,
Dirk Baecker

 

 

Verstehen

„Man hat ein Gebiet verstanden, wenn man die richtigen Begriffe gebildet hat, mit denen man die Ereignisse oder die Phänomene dieses Gebiets ergreifen kann. Aber woran merkt man die Richtigkeit der Begriffe? Was gibt es da für Kriterien?
In gewissen Fällen gelingt es, sobald die Begriffe formuliert sind, sofort ein mathematisches Schema anzugeben, das so geschlossen, so einheitlich, so schön ist, dass man – wenn ich so sagen darf – einfach aufgrund der ästhetischen Schönheit dieser Mathematik nicht mehr daran zweifeln kann, dass dies ein richtiges Verständnis ist. Und natürlich kann man ein so schönes mathematisches Schema ja auch immer sofort am Experiment prüfen und sehen, ob es stimmt.
Es ist im Grunde immer wieder die Frage der Einfachheit. Ob man ein sehr kompliziertes Erfahrungsgebiet mit relativ wenigen, einfachen, konsistenten Begriffen so beschreiben kann, dass man merkt, alle diese verschiedenartigen Erfahrungen passen auf die Begriffe oder umgekehrt: die Begriffe passen auf die Erfahrungen.“

Werner Heisenberg